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 Der Fiskus ist im Vorrecht - bis zur Rechtskraft des Gegenteils
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 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich - aber von Gleichheit oder Gleichberechtigung der Zahler von Steuern und Abgaben gegenüber den Geld einfordernden staatlichen Institutionen kann keine Rede sein. Wenn es ums Geld geht, haben Behörden und zahlreiche öffentlich-rechtliche Körperschaften massive Vorrechte, um alle Bürger(innen) fix zur Kasse zu "bitten".

Will man privatrechtlich eine Forderung durchsetzen, muss man den Schuldner verklagen, Gerichtskosten vorstrecken und bekommt nur im Erfolgsfall vor Gericht (nach oft langer Verfahrenszeit) sein Geld. Im Strafrecht gilt immer die Unschuldsvermutung für alle Betroffenen - der Staat muss Schuld beweisen.

Das Finanzamt will Geld von Ihnen? Die Gemeinde? Das Landratsamt? Eine Sozialversicherung? Oder sind es nur ARD und ZDF für den Rundfunk? Egal wie falsch, teuer oder absurd die in einem Bescheid geforderte Summe auch sein mag - nicht nur formell ist jedermann erst einmal der Dumme der zahlen muss - auch wenn man Einspruch oder Widerspruch einlegt und dieses objektiv richtig und vollständig entlastend begründet.

Unfair? Ja, aber so ist die Realität: Hinter praktisch jedem Hinweis auf das Einspruchsrecht mit Fristangabe folgt der Hinweis, dass der Widerspruch/Einspruch nicht von der Pflicht zur Einhaltung der benannten Zahlungsfrist entbindet - egal wie lächerlich klein ein Rechenfehler ist oder wie existenzgefährdend groß eine Fehlforderung ausfällt. Und wer die Frist dennoch nicht einhält, wird postwendend mit abschreckenden Säumniszuschlägen und Verzugszinsen konfrontiert.

In der Regel kann man Stundung beantragen. Aber Anspruch darauf hat man nicht. Konstruktiv veranlagte Staatsdiener kümmern sich nicht nur umgehend um einen korrigierenden Bescheid, sie verzichten auch auf Folgemaßnahmen während der Fehlerbeseitigung. Aber diese heile Beamtenwelt gilt nicht immer und überall.

Zu oft werden selbst offensichtliche Fehler nicht oder nur sehr verschleppt behoben, während Stundung verweigert wurde, weil man die nur bekäme wenn man ganz (oder fast) zahlungsunfähig wäre oder durch Folgeschäden würde. Und dokumentieren Sie mal nebenbei einer Behörde Ihre kompletten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse, um als Härtefall akzeptiert zu werden?

Nur selten wird in einem Bescheid ein konkret verantwortlicher Mitarbeiter oder zumindest eine zuständige Ansprechperson genannt. Je nach Institution wird Ihnen auch auf schriftliche oder telefonische Anfrage keine konkrete Person benannt. Und selbst wenn es Ihnen gelingt eine mitwirkende Person ausfindig zu machen, ist diese selten allein verantwortlich und verweist auf weitere Klärung durch wiederum oft unbenannte Kollegen. Als Betroffene(r) reden und schreiben Sie gegen eine anonyme Wand. Noch schlimmer ist es, wenn mehrere Behörden/Institutionen beteiligt sind, die dann auf Ihrem Rücken Schwarzer Peter spielen.

Ihr berechtigter Einspruch kommt nicht voran und die Fehlforderung ist bereits zur Zahlung fällig? Die Zahlung ist aber aufgrund der unberechtigten Höhe ein reales Problem oder Sie wollen aus Protest die Bezahlung verweigern?

Können Sie machen - aber Ihr Fehlgläubiger hat einen Freibrief für viele Zwangsmaßnahmen: Aus früheren Zahlungen kennt die Behörde Ihr Girokonto - rechnen Sie mit einer Pfändung. Sie weisen einen Gerichtsvollzieher ab, weil die Forderung unberechtigt ist - das interessiert ihn nicht, er kommt samt Polizeiverstärkung wieder. Sie haben eine Immobilie - rechnen Sie mit einer unangekündigten Zwangs-Grundbucheintragung, wobei man Ihnen obendrein die Eintragungsgebühren aufbrummt. Die Liste möglicher Druckmittel reicht bis zur Erzwingungshaft - und jeder Vollstrecker tut nur seine legalisierte Pflicht, egal wie sehr ein reales Unrecht dadurch verschlimmert wird.

Warum die ganzen Vorrechte?

Nimmt man alle Steuerarten, Gebühren und Abgaben zusammen, erhält jeder Bürger doch so einige Bescheide übers Jahr. Hochgerechnet auf die ganze Bevölkerung landen damit täglich ein paar Millionen Bescheide in deutschen Briefkästen.

Hauptziel der rigiden Zahlungspflichten ist schlicht die Durchsetzung einer hohen Zahlungsdisziplin - die davon ausgeht, dass Bescheide grundsätzlich sowohl in der Sache als auch in der berechneten Höhe korrekt sind. Soweit das stimmt, ist ja auch alles in Ordnung - schließlich wollen wir ja auch, dass der Staat seine vielen sinnvollen Aufgaben erfüllt und ebenfalls pünktlich aus den Steuern und Abgaben bezahlt.

Wir können darüber spekulieren, ob 90 % oder 95 % aller Bescheide weitgehend korrekt sind. Vielleicht sind es bei einigen Behörden auch 99 %. Und optimistisch nehmen wir auch an, dass von den täglich verbleibenden Tausenden* an Fehlbescheiden die meisten nach Rückfrage oder Einspruch zeitnah korrigiert werden (* 0,1 % Fehlbescheide = Tausend pro Million).

Allein an der Überlastung fast aller betroffenen Gerichte kann man aber sicher davon ausgehen, dass täglich mindestens Hunderte von Bescheiden nicht im Sinne der Betroffenen korrigiert werden. Und auf diese potentielle Fehlersumme müssen wir noch zwei gravierende Dunkelziffern draufschlagen:
• Erstens alle Fälle, bei denen die Betroffenen
   - wegen dem hohen Zeitaufwand oder dem Risiko aus
   formalen Gründen nicht ihr Recht zu bekommen -  mit
   Ärger im Bauch zahlen, aber dann ihre Ruhe haben
• und zweitens alle Fälle, in denen Betroffene
   die Fehler gar nicht erkennen und fehlerhafte
   Berechnungen nicht nachvollziehen können.
     
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 Lösungsansätze

Die Abschaffung der beschriebenen fiskalischen Privilegien würde zwar den Missbrauch durch untätige oder destruktive Staatsdiener beseitigen, aber nicht ohne Nebenwirkungen. Schließlich gibt es auch destruktive Steuerverweigerer und Mitmenschen die jede noch so berechtigte Zahlung möglichst lange unerledigt lassen - diese könnten und würden bürgerfreundlichere Regeln leider auch ausnutzen.

Aber man kann das Regelwerk reformieren, Stundungen während der Sach- und Rechtsklärung erleichtern und die härtesten Zwangsmaßnahmen auf rechtskräftige Forderungen beschränken.

Notwendig ist ein tolerantes Fehlermanagement in jeder Behörde/Institution. Menschen machen Fehler, das ist normal und gilt auch für Beamte. Entscheidend ist, wie man mit potentiellen Fehlern umgeht.

Jede öffentliche Institution muss greifbar zu ihrer Verantwortung stehen. Dazu gehören für jeden Widerspruch/Einspruch namentlich anschreibbare und telefonisch kostenfrei erreichbare Zuständige. Soweit mehrere Mitarbeiter/Abteilungen/Behörden beteiligt sind, muss eine Person koordinierend verantwortlich sein.

Ein weiterer Lösungsansatz gegen destruktive Fälle ist der öffentliche Druck auf die Verursacher. Bereits vorliegende Beispiele im Einzelfall darzulegen, würde hier zu weit führen, ist aber Aufgabe und wird Inhalt künftiger Berichte von FiskusLeaks.  Rolf Albrecht
     
   
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