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 Grunderwerbsteuer: Stopp
dem Wucher-Karussell - und
dem Share-Deal-Missbrauch
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 2006 wurde der Steuersatz der Grunderwerbsteuer liberalisiert, d.h. seitdem dürfen die Bundesländer selbst über die Höhe der Steuer entscheiden.

Über 17 Jahre später darf sich die 15-armige Steuerkrake der Bundesländer weiter für ein Festival satter Steuererhöhungen feiern. Nur Bayern feiert nicht mit - dort wurde der Steuersatz seither nicht erhöht.

Die Grunderwerbsteuer (GrESt) betrug bis 1996 bundesweit 2 %, von 1997 bis 31. August 2006 bundesweit 3,5 % der Bemessungsgrundlage, i.d.R. der Kaufpreis der Immobilie.

Seit dem 1. September 2006 dürfen die Bundesländer den Steuersatz selbst festlegen.


Die Erhöhung der Bemessungsgrundlage 2006 von 2 % auf 3,5 % entsprach eine Steuererhöhung von 75 % - linear auf die seitherigen Jahre verteilt +7,5 % per Anno.

Aber die Chance, endlich eine wichtige Steuer selbst festsetzen zu können, hat (außer in Bayern) in allen Bundesländern ein Erhöhungs-Karussell der Raffgier in Gang gebracht.

Obendrein wachsen die Einnahmen durch die in den letzten Jahren vielerorts deutlich gestiegenen Immobilienpreise. Da sich diese Effekte multiplizieren, stiegen die Steuereinnahmen, 2022 auf 17,1 Mrd. €.

Die Rangfolge der Steuersätze stellt sich in den Bundesländern inzwischen wie folgt dar:

3,5 %  Bayern

5,0 %  Baden-Württemberg
5,0 %  Bremen
5,0 %  Niedersachsen
5,0 %  Rheinland-Pfalz
5,0 %  Sachsen-Anhalt
5,0 %  Thüringen (seit 2024; zuvor 6,5%)

5,5 %  Sachsen (seit 2023)
5,5 %  Hamburg (seit 2023)

6,0 %  Berlin
6,0 %  Hessen
6,0 %  Mecklenburg-Vorpommern (seit 2019)

6,5 %  Brandenburg
6,5 %  Nordrhein-Westfalen
6,5 %  Saarland
6,5 %  Schleswig-Holstein

Einen kuriosen Sonderfall stellt derzeit Thüringen dar: Auf Antrag der oppositionellen CDU wurde der Steuersatz ab 2024 von zuvor 6,5 % auf 5,0 % gesenkt, da FDP und AfD halfen die Minderheitsregierung zu überstimmen. Was steuerlich zu begrüßen ist, ist demokratisch-kulturell ein Dilemma, an die gerade in Thüringen offenkundig rechtsextreme AfD damit die nötige Abgrenzung von allen wirklich demokratischen Parteien medienwirksam unterlaufen konnte.
     
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 Immobilieninvestitionen werden diskriminiert

Wohneigentum wird durch die enorme Höhe der Steuer gegenüber anderen Vermögensarten systematisch diskriminiert, obwohl gerade das selbstgenutzte Eigenheim als gesellschaftlich besonders wertvoll gilt, Mensch und Gebäude als Heimat verbindet.

Wer beruflich nicht sicher auf viele Jahre am gleichen Standort bleibt, wird durch die Steuerhöhe faktisch vom Haus-/Wohnungskauf abgehalten. Schon ein Kaufpreis von 200.000 € zu 6 % (Berlin; Hessen) führt zu einer Steuerzahlung von 12.000 €, womit stattdessen schon 1.000 € Monatsmiete für ein ganzes Jahr bezahlt wäre. Und die Kosten für Notar und Grundbucheintragung kommen ja noch dazu!

Länderfinanzausgleich setzt Fehlanreize

Mit der Steuersatz-Hoheit der Länder wurde 2006 auch der Länderfinanzausgleich angepasst. Damit Länder ihren Steuersatz nicht auf Kosten anderer Länder senken können, werden zur Ermittlung der Steuerkraft nicht die realen sondern normierte Steuereinnahmen zugrunde gelegt.

Diese normierten Einnahmen werden unter Berücksichtigung des gesamten Steueraufkommens und des durchschnittlichen Steuersatzes ermittelt. Durch das Normierungsverfahren wurde zwar der Anreiz zu Steuersenkungen zulasten anderer Länder beseitigt, jedoch ein zusätzlicher Anreiz zu Steuererhöhungen geschaffen, weil eine Steuersatzerhöhung in einem Land den Finanzausgleich zu Lasten der anderen Länder verändert.

Übles Steuerschlupfloch für große Immobilien

Für Firmen bzw. Immobilien-Gesellschaften gab es aber ein großes Schlupfloch: Die Gesellschaft wurde dabei als Share Deal zu 94,9 % verkauft und die restlichen 5,1 % vom alten Gesellschafter behalten oder an Dritte veräußert. Nach 5 Jahren kann dann jedoch die ganze Gesellschaft erworben werden - ein Vorgang, der sich (lt. Quelle Wikipedia) ab 15 Mio. € Kaufwert lohnte, Große Geschäftshäuser wurden im Ergebnis überhaupt nicht besteuert, während kleinere Firmen und normale Hauskäufer immer dreister abkassiert werden.

Inzwischen wurden die verfassungs- und steuerrechtlichen Gegebenheiten sowie mögliche neue Besteuerungsansätze von Share Deals geprüft und mit Wirkung seit Juli 2021 zumindest folgende Änderung beschlossen:

•  die Beteiligungsgrenze sinkt von 95 % auf 90 %
•  und die Frist wird von 5 auf 10 Jahre verdoppelt.

Aber auch mit den Änderungen ist das Schlupfloch nicht geschlossen, allenfalls verengt.

Für eine faire Gleichbehandlung müssten bereits größere Minderheitsbeteiligungen anteilig besteuert werden. Und beherrschende Mehrheitsbeteiligungen müssten zu 100 % besteuert werden. Auch bleibt die verlängerte 10-Jahres-Frist ein Schlupfloch. Hier müsste unbefristet rückwirkend voll besteuert werden. Alles andere bleibt ein Schlag ins Gesicht für Mittelstand und private Haus- bzw. Wohnungskäufer.

Rolf Albrecht
     
   
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