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 Krimineller Missbrauch gefährdet faire Kurzarbeit
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 Kommentar

Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze, temporäre Stabilisierung von überlebensfähigen Betrieben und Arbeitsmarkt-Instrument in Krisenzeiten - die Kurzarbeit "made in Germany" hat sich bewährt.

Und 2020/21 hatte sie Hochsaison, gegen die gravierenden Auswirkungen der Pandemie, ausgestattet mit deutlich höheren Zahlungen und für länger zulässige Zeiträume.

Aber schon nach wenigen Monaten zeigten sich die Schattenseiten dieser wichtigen Großzügigkeit:

Einerseits geht es dabei um die ökonomische Frage, wie sehr hohe und lange Zahlungen wirtschaftlich nicht überlebensfähige Arbeitsplätze nur künstlich erhalten und nötige Strukturanpassungen verschleppen.

Dynamischen Arbeitgebern stehen dadurch benötigte neue Fachkräfte nicht zur Verfügung, weil diese im bisherigen Job verharren und der finanzielle Anreiz für eine Neuorientierung unterlaufen wird.

Akuter ist aber der sich offenkundig einschleichende Missbrauch mit inzwischen vielen Ermittlungsverfahren zu unberechtigt beantragten und erhaltenen Zahlungen. Schon nach wenigen Monaten zeigt sich hier die Spitze eines potentiell großen Subventionsbetrugs-Eisbergs mit vermutlich hoher Dunkelziffer.

Verständnis soll und darf man haben, wenn engagierte Arbeitnehmer/innen bei der erzwungenen Teilzeit nicht auf die Minute schauen, weil die eigene Leistung ja auch dazu beiträgt, den eigenen Job in einer unverschuldet in Not geratenen Firma zu retten.

Sehr kritisch ist zu betrachten, das manche Arbeitgeber die gelockerten Regeln der erlaubten Kurzarbeit gnadenlos bis ans Limit der Legalität ausnutzen, obwohl sie nicht in Not sind, aber durch die maximierte Abwälzung von Personalkosten auf die Solidargemeinschaft nur eine hohe Kapitalrendite erhalten oder sogar erhöhen wollen.

Aber ab wann wird es kriminell?
     
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 Massiver Betrug ist sicher dann gegeben, wenn Arbeitgeber Druck auf die Kurzarbeitenden ausüben, doch "bitte" den Job umfänglich weiter auszuüben, nach dem Motto, das Gehalt zahlt jetzt die Arbeitslosenversicherung.

Da ein großer Teil des Nettogehaltes und die ganzen Sozialversicherungsbeiträge übernommen werden, liegt der erschwindelte Vorteil schnell deutlich über 1.000 € je Monat und Mitarbeiter. Auf einen Bagatellfall kann man sich da nicht rausreden.

Schon bei Kleinbetrieben ist das finanzielle Potential des Missbrauchs schnell 5-stellig, bei längerer Dauer 6-stellig und bereits mittelgroße Firmen können problemlos die Millionen-€-Grenze knacken. So abschreckend hohe Strafen sein mögen, so groß ist ggf. auch die Versuchung, so "die Krise zu lösen" und dabei in der Masse der kurzarbeitenden Firmen nicht erwischt zu werden.
     
   
   
 Dass diese Rechnung nicht aufgeht, ist längst absehbar: Bundesweit beginnen immer mehr Ermittlungsverfahren - und die produzieren öffentlich Druck, auch in der Breite gründlicher nachzuprüfen. Wer hier bereits "sündigt", sollte dieses schnellstmöglich beenden und ggf. überzogene Zahlungsanforderungen selbst korrigieren.

Zur Verantwortung wird letztlich auch ein duldender, oder mitwissender Betriebsrat gezogen und auch die einzelnen aktiv Beteiligten Mitarbeiter können nicht einfach eine Mitverantwortung ignorieren.

Kritisch wird es auch, wenn während angemeldeter Kurzarbeit Arbeits- und Wegeunfälle passieren. Da kann schnell ein Schwarzer-Peter-Spiel auf dem Rücken der Betroffenen stattfinden.

Auch wer annimmt, im Homeoffice nicht erwischt werden zu können, weil man sich bei flexibler Arbeitszeit "in flagranti" ja auf die geringe Restarbeitszeit berufen kann, irrt. Ermittler werden z. B. Computerdateien sichten, Telefon- und Maillisten finden und damit die reale Arbeitszeit schätzen können.

Letztlich muss allen Betroffenen auch klar sein, dass man durch maßgebliches Fehlverhalten mit dazu beiträgt, den guten Ruf der Kurzarbeit zu ruinieren. Und wenn dann die Politiker unter dem Druck öffentlich gewordener Missbrauchsfälle die Reißleine ziehen, endet die Kurzarbeit auch dort, wo sie fair gehandhabt wurde.

Rolf Albrecht
     
   
   
 Entwicklung:
Laut Rückfrage bei der Bundesagentur für Arbeit lagen bis Januar 2024 (Ende Juli 2022) inzwischen 10.900 (8.300) Verdachtsfälle vor, von denen bereits 711 (459) vom Hauptzollamt und 1242 (566) von der Staatsanwaltschaft oder Polizei weiterverfolgt werden.
     
   
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